Die Wurzel des Bösen


Es sind nicht ihre Sünden an und für sich, die böse Menschen kennzeichnen; es ist vielmehr die Raffiniertheit, Hartnäckigkeit und Stetigkeit ihrer Sünden. Deshalb ist der Hauptdefekt der Bosheit nicht die Sünde selbst, sondern die Weigerung, sie als solche zu erkennen.
Die Weigerung, ein Gespür für die eigene Sündhaftigkeit zu entwickeln, führt dazu, dass böse Menschen zu Arsenalen der Sünde werden, ohne sich korrigieren zu lassen.

Da es sich tatsächlich um die Wurzel des Bösen handelt, ist es kein Zufall, dass kirchliche Autoritäten im allgemeinen den Hochmut zur größten aller Sünden erklärt haben. Mit der Sünde des Hochmuts (oder des Stolzes) meinen sie nicht legitime Erfolgsgefühle, wie sie sich etwa nach einer gelungenen Arbeit einstellen können. Gemeint ist vielmehr diejenige Art von Stolz, die die Sündhaftigkeit und Unvollkommenheit leugnet, die in uns angelegt ist ‒ eine Art von Anmaßung und Arroganz ... Die Lügner

Du aber hattest in deinem Herzen gesagt: Den Himmel will ich ersteigen, hoch über den Sternen Gottes meinen Thron aufrichten. Ich will mich niedersetzen auf dem Versammlungsberg, im äußersten Norden. Ich will über Wolkenhöhen emporsteigen, dem Höchsten will ich mich gleichstellen. 14,13-14 Spottlied auf den König von Babel
Jesaja




Bösartiger Narzissmus ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Wille nichts und niemandem unterwirft. Alle geistig gesunden Erwachsenen ordnen ihren Willen auf die eine oder andere Weise einer Wirklichkeit unter, die höher ist als sie selbst – sei es Gott oder die Wahrheit oder die Liebe oder irgendein anderes Ideal.
Alle geistig gesunden Menschen unterstellen sich in höherem oder minderem Maße den Forderungen ihres Gewissens. Bei den Bösen jedoch verhält es sich nicht so. Im Konflikt zwischen Schuldgefühl und Wille ist es das Schuldgefühl, das abtreten, und der Wille, der die Oberhand behalten muss. Die Lügner

Zeichen des Bösen: Der verhärtete Seelenzustand


Warum versteht ihr nicht, was ich sage?
Weil ihr nicht imstande seid, mein Wort zu hören. 8,43
Johannes-Evangelium




Es kann einen Seelenzustand geben, gegen den die Liebe selbst machtlos ist, weil er sich gegen die Liebe verhärtet hat. Die Hölle ist ihrem Wesen nach jener Seinszustand, den wir selbst für uns entwerfen: ein Zustand endgültigen Getrenntseins... Es gibt Analogien in der menschlichen Erfahrung: den Hass, der so blind und finster ist, dass ihn die Liebe nur noch gewalttätiger macht; den Stolz, der so versteinert ist, dass ihn die Demut nur noch zynischer macht; die Trägheit ‒ nicht zuletzt die Trägheit! ‒, die sich der Persönlichkeit derart bemächtigt hat, dass weder Krise, noch Appell, noch irgendein Anreiz sie zur Aktivität motivieren kann, sondern im Gegenteil dafür sorgt, dass sie sich nur noch tiefer in ihre Unbeweglichkeit verbohrt.


- So steht es auch mit der Seele und Gott; Stolz kann sich bis in die Hölle hinein verhärten; Hass kann sich bis in die Hölle hinein verhärten; jede der sieben Wurzelformen des Fehlverhaltens kann sich bis in die Hölle hinein verhärten, nicht zuletzt jene Faulheit, die sich als Gleichgültigkeit im Blick auf alles Göttliche äußert, jene Trägheit, die sich nicht die Mühe der Umkehr machen will, obgleich sie den Abgrund sieht, in den die Seele zu stürzen droht ‒ denn sie hat sich schon so lange, vielleicht zunächst in unscheinbaren Dingen, daran gewöhnt, jene Mühe zu verweigern, die die Umkehr kosten könnte. The Pain of Christ and the Sorrow of God, aus: Die Lügner

Gerald Vann

Der Zerstörungswille des Bösen


Ihr habt den Teufel zum Vater und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an. 8,44
Johannes-Evangelium




Das Böse habe ich als Machtanwendung definiert, die das Ziel hat, das innere Wachstum anderer zu zerstören, um dadurch die Einheit des eigenen kranken Selbst verteidigen und bewahren zu können.
Mit anderen Worten: die Bösen greifen andere an, anstatt eigenem Versagen ins Auge zu sehen. Geistliches Wachstum erfordert die Einsicht, dass man des Wachstums bedarf. Wenn wir das nicht einsehen, bleibt uns nichts übrig als zu versuchen, die Beweismittel unserer Unvollkommenheit aus der Welt zu schaffen.
So ist das Böse also zunächst jene Macht, die versucht, Leben oder Lebendigkeit zu vernichten. Das Gute ist das Gegenteil. Das Gute ist das, was Leben und Lebendigkeit fördert. Die Lügner

Das Merkmal der fortwährenden Lüge


Und er steht nicht in der Wahrheit; denn es ist keine Wahrheit in ihm. Wenn er lügt, sagt er das, was aus ihm selbst kommt; denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge. 8,44

Johannes-Evangelium


Böse Menschen verüben ihre Missetaten nicht direkt, sondern ‒ im Zuge des Vertuschungsprozesses ‒ indirekt.

Sie sind Verbrecher, weil sie „Verbrechen“ gegen das Leben und die Lebendigkeit verüben. Aber außer in seltenen Fällen wie bei Hitler, wo sie ein außerordentliches Maß an politischer Macht gewinnen, die sie von den üblichen Hemmnissen befreien, sind ihre Verbrechen so raffiniert versteckt, dass sie nicht klar als solche identifiziert werden können.

Deshalb geschieht es oftmals, dass der böse Mensch gerade an seiner Verkleidung erkannt wird. Die Lüge kann mitunter eher enttarnt werden als die Missetat selbst, die sie verbergen soll, die Vertuschung eher als die Tatsache. Wir entdecken jenes Lächeln, das Hass kaschiert, jenes aalglatte und schmierige Benehmen, das als Maske der Angriffslust dient, jenen Samthandschuh, der die Faust verbirgt. Weil sie geniale Verkleidungskünstler sind, ist es selten möglich, die Arglist der Bösen genau zu lokalisieren. Die Verstellung ist in der Regel undurchdringlich. Die Lügner

Wovon sind sie besessen, was treibt sie?
Es ist vor allem Furcht. Sie haben Angst davor, dass der Schein zusammenbrechen könnte und sie vor der Welt und vor sich selbst entblößt würden. Sie haben permanent Angst davor, der eigenen Bosheit Auge in Auge gegenüberstehen zu müssen. Von allen Gefühlen ist Angst das schmerzvollste. Gleichgültig, wie gut sie es schaffen, im alltäglichen Umgang ruhig und gefasst zu erscheinen: Böse Menschen leben in ständiger Furcht. Es ist ein regelrechter Horror ‒ und ein Leiden, chronisch und so verwoben mit allen Fasern ihres Seins, dass sie das als solches womöglich nicht einmal fühlen. Und wenn sie es könnten, würde es ihr allgegenwärtiger Narzissmus ihnen sofort verbieten, es zuzugeben.
Selbst, wenn wir kein Mitleid mit jenem grauenvollen Lebensgefühl haben, das böse Menschen unweigerlich im Alter erwartet oder mit jenem Seelenzustand, der nach dem Tod auf sie zukommt, können sie uns doch leid tun wegen der unerbittlichen Vorahnungen, die sie ihr ganzes Leben lang mit sich herumschleppen. Die Lügner – eine Psychologie des Bösen und die Hoffnung auf Heilung, Claudius Verlag, München

Scott Peck

Über den Umgang mit bösen Menschen


Der wirkliche Diener Gottes tadelt unaufhörlich die Bösen, doch er tut dies in erster Linie durch sein Verhalten, durch die Wahrheit, die aus seinen Worten leuchtet, durch sein Beispiel, durch den Glanz und die Lauterkeit seines Lebens.
Franz von Assisi




Warum sagte Jesus: „Widerstrebe nicht dem Übel?” Wie sollen wir das verstehen, wenn nicht durch die Annahme, dass uns das Böse wahrscheinlich überwältigen wird, wenn wir unsere Stärke gegen das Böse erproben. Sind wir aber mit dem Bösen konfrontiert, so sollten wir uns ihm unbeirrt stellen und uns mit den Kräften des Guten vereinen und so die Stärke haben, unser Leben ruhig Seite an Seite mit dem Bösen fortzusetzen, ohne von ihm verführt zu werden. Wenn uns das Böse nicht verführen, das heißt, gefügig machen kann, so haben wir es besiegt. Wenn wir dieser Verführung nachgeben, so sündigen wir.
Unbekannte Verfasserin